Zwischenfazit „ZukunftsWerkStadt“ – Teilprojekt Litzelstetter Ortsmitte
Evaluationsgedanken aus Sicht eines beteiligten Bürgers
Die „ZukunftsWerkStadt“ hat mit ihren Projekten in der Stadt Konstanz deutlich gemacht, dass Bürgerbeteiligung dann funktionieren kann, wenn die Menschen das Gefühl haben, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in Planungen und Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden. Die Spurgruppe aus Litzelstetten, in der sich sieben Bürger unter Moderation und fachkundige Begleitung des Amtes für Stadtplanung und Umwelt dafür eingesetzt haben, dass die Einwohner über das Bauvorhaben in der Ortsmitte rechtzeitig und umfassend informiert und mit ihren Ideen und Wünsche berücksichtigt werden, konnte exemplarisch darlegen, wonach die Bürger bei strukturiertem und ehrlichem Vorgehen für Partizipation gewonnen werden können.
In meinen Auskünften gegenüber dem Evaluationsteam zum Zwischenstand der „ZukunftsWerkStadt“ in Konstanz war es mir ein Anliegen, zu verdeutlichen, dass solch ein Prozess über mehrere Monate hinweg stets von Lerneffekten geprägt ist. Es ist keinesfalls alles optimal verlaufen. Diese Erwartung wäre aber auch angesichts dessen, dass die methodische Bürgerbeteiligung erst nach und nach zu einem alltäglichen und anerkannten Feld direktdemokratischer Normalität wird, weitaus überzogen. Jedes neue Verfahren zur Bürgerbeteiligung muss geprägt sein von der Bereitschaft und Offenheit, Fehler und Probleme ernsthaft zu benennen und sie ehrlich aufzuarbeiten. Bürgerbeteiligung ist damit nicht nur ein nach vorne gerichtetes Machen, sondern gleichzeitig ein stetiger Blick zurück, der reflektiert und im Zweifel auch Schritte rückwärts oder neue Abzweigungen oder Zielsetzungen einfordert.
Für mich hat insbesondere die Erfahrung des Zusammenwirkens mit der Verwaltung auf Augenhöhe nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Ein oftmals in der Bevölkerung wahrgenommener Graben zwischen Bürgern und Ämtern konnte hier zumindest in einem ersten Schritt dadurch überwunden werden, dass Vertrauen notwendig war, um als Spurgruppe in Einklang mit der Verwaltung den Einwohnern das gemeinsame Ziel zu vermitteln. Transparenz, in unserem Falle über die Eckpunkte des Bauprojekts, sowie der Versuch, stetig untereinander informiert zu bleiben, waren wesentliche Merkmale, die zum Gelingen beigetragen haben. Gleichsam lag ein Grundstein für den Erfolg aber auch in der bereits von Anfang an durch den Ortschaftsrat gut zusammengewürfelten Spurgruppe. Niemand der beteiligten Bürger schien aus einem hervorstechenden Eigeninteresse mitwirken zu wollen. Der Wille, etwas für den gesamten Ort erreichen zu wollen, schien bei allen im Vordergrund zu stehen. Die Bereitschaft des Ortschaftsrates, des Ortsvorstehers, aber auch des Gemeinderates und der Stadtverwaltung sowie des Eigentümers, sich auf die Meinungen von Menschen unterschiedlichster sozialer, beruflicher, familiärer Herkunft, des Alters und der Intention für Engagement einzulassen, war ein Wagnis, das belohnt wurde.
Zeitweise gab es aber auch Momente, in denen wir deutliche Defizite ausmachen konnten. Dann, wenn sich die Wahrnehmung breit macht, fertige Pläne lägen bereits in den Schubladen und Bürgerbeteiligung verkommt zu einem nach außen gerichteten, medialen Versuch, Partizipation lediglich zu suggerieren, um Ruhe und das Gefühl des Einbeziehens der Bürgerschaft zu erwirken. Deshalb ist es wesentlich, von Beginn an zu klären: Was ist möglich, welche Mitsprache haben die Bürger? Sowohl rechtliche Vorgaben, wie in unserem Fall des Baurechts, als auch die Vorstellungen des Eigentümers müssen klar auf dem Tisch liegen. Ein Bürgerbeteiligungsprozess kann den größten Schaden dadurch erleiden und verursachen, indem Erwartungen zugelassen werden, von denen bereits anfänglich feststeht, dass sie nicht erfüllbar sind. Enttäuschungen können vermieden werden, wenn sowohl alle nötigen Daten und Fakten als Ausgangslage bekannt sind. Kommunikation darf nicht einseitig verlaufen, sondern muss alle mitwirkenden Akteure einbeziehen. Das, was Bürger als „hinter dem Rücken“ abgesprochen empfinden, führt zur typischen Reaktion „Bürgerbeteiligung ist nur eine Farce“. Hierdurch erlangt Partizipation nicht nur dauerhaft negatives Image und verliert dramatisch an Wert; sie macht sich zudem lächerlich und bringt Resignation bei den Menschen, die bereit waren, mitgestalten und etwas verändern zu wollen.
Gleichsam gilt auch: Jedem muss bewusst sein, dass ein Bürgerbeteiligungsverfahren, das letztlich auf eine Entscheidung eines politischen und verwaltenden Gremiums zuläuft, nur Weichen stellenden Charakter haben kann und nicht das abschließende Votum – wie hier des Stadtrates und seiner Ausschüsse und städtischen Ämter – ersetzt. Je konkreter und realitätsnaher die Arbeit der Bürger jedoch ist, umso größer bleibt die Chance, eine Umsetzung mit größtmöglicher Einwirkung der Anliegen aus der Bürgerschaft zu erreichen. Dies haben wir in unserem Teilprojekt lebendig spüren können. Durch die Vernunft, nur umsetzbare Forderungen aufzustellen, sind in den Ausschreibungstext für das Bauvorhaben möglichst viele Einflüsse von der Bevölkerung integriert worden.
Meine Erfahrung hat mir auch gezeigt: Bürgerbeteiligung kann nicht für jedes Projekt sinnvoll sein. Nur dann, wenn sich die Beteiligten allesamt bereit erklären, einen auf Basis des Machbaren offenen Ausgang des Verfahrens zuzulassen, kann Partizipation ihren Zweck erfüllen. Gerade bei Vorhaben, bei denen halböffentliche Projektpartner mitwirken, muss diese Bereitwilligkeit geklärt sein. Für unseren Erfolg zielführend war nicht zuletzt auch eine unabhängige Moderation, die nicht wertet, sondern orientiert und lenkt. Ebenso gilt dies auch für die Evaluation: Der Blick von außen muss neutral, am besten örtlich und sachlich entfernt, erfolgen. Nur dann können diejenigen, die in solchen Prozessen Verantwortung tragen, erzielen, dass wichtige negative Erfahrungen differenziert aufgearbeitet und für zukünftige Vorhaben beachtet werden.
Die Bereitschaft von allen Seiten, ihr Tun regelmäßig der Öffentlichkeit zur Prüfung vorzulegen, ist zwingende Voraussetzung dafür, dass der Ansporn vorhanden bleibt, den Beteiligungsprozess aktiv bis zum Ende mitzugestalten. Und deshalb kann auch zum Zeitpunkt des Zwischenfazits von meiner Perspektive aus nur animiert werden: Mit dem Architektenwettbewerb, der darüber bestimmt, welcher eingereichte Vorschlag für den Neubau in der Litzelstetter Ortsmitte mitsamt seiner Nutzung und planerischen Gestaltung am besten geeignet ist, ist die Partizipation noch nicht beendet. Viel eher heißt es auch für die Bürger, die Umsetzung dessen, was sie an Ideen eingebracht haben und was beschlossen wurde, kritisch zu begleiten. Und nicht nur das: Die Bürgerbeteiligung hat zutage gebracht, dass neben der Verwirklichung des konkreten Bauvorhabens (Realisierungsteil) eine weitere Dorfentwicklung nötig sein wird (Ideenteil), die zentral von der neu gestalteten Dorfmitte ausgeht.
Das, was geschaffen wird, muss sich nicht nur in die bestehenden baulichen Strukturen einpassen. Die Anforderung, aus dem Bauprojekt heraus eine Philosophie abzuleiten, mit der auch nachträglich Entscheidungen auf den Prüfstand gestellt und vor allem Konzepte für die weitere Gestaltung des Dorfes einem Motto entspringen können, war Ansinnen vieler beteiligter Bürger. Deshalb ist das zwischenzeitliche Fazit aus meiner Einschätzung nach ebenso Auftrag, die Bürgerbeteiligung weiterhin zu nutzen. Dem Ortschaftsrat und dem Ortsvorsteher, aber auch der Stadt wurde deutlich gemacht: Partizipation kann funktionieren, wenn sie nachhaltig ist. Die guten Erfahrungen haben gezeigt, dass viele Einwohner bereit waren, sich mit dem Bauvorhaben auseinander zu setzen. Nirgendwo sonst sind Menschen von Veränderungen so hautnah betroffen, wie vor der eigenen Haustüre, in der Kommune. Daher ist Bürgerbeteiligung dort auch am wichtigsten und effektivsten, gleichzeitig aber auch sensibelsten und schwierigsten. Das darf nicht abschrecken, mit dem bewährten Team und allen, die selbst aktiv mitgestalten wollen, bei neuen Fragen der Ortsentwicklung und Themen, die die Bürger über den individuellen Belang hinaus betreffen, mit den gewonnenen Methoden neue Beteiligungsprozesse zu wagen.
Dennis Riehle
Mitglied der Spurgruppe für
Bürgerbeteiligung Litzelstetten
Martin-Schleyer-Str. 27
78465 Konstanz
Mail: anfrage@riehle-dennis.de
Web: www.dennis-riehle.de
Blog: www.dennis-riehle-blog.de